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Kasinoturm Frohnau

Der Bürgerverein arbeitet zurzeit an Möglichkeiten, zukünftig Führungen im Kasinoturm anzubieten. In Kürze mehr dazu. 

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Geschichte und Gegenwart des Kasino- und Bahnhofsgeländes

 

Vorgeschichte der Mitte der Gartenstadt Frohnau

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Für die Anlage eines Villen- und Landhausvorortes erwarb die Berliner Terrain-Centrale (B.T.C.) im November 1907 ein ausgedehntes Gelände zwischen Hermsdorf und Stolpe. Um eine Grundlage für einen Bebauungsplan für die spätere Gartenstadt Frohnau zu gewinnen, lobte die Terraingesellschaft im Eigentum von Fürst Donnersmarck einen städtebaulichen Wettbewerb aus. Diesen gewannen im März 1908 die Städtebau-Professoren Joseph Brix und Felix Genzmer von der Königlichen Technischen Hochschule zu Berlin in Charlottenburg mit ihrem Entwurf „Freiluft“.

Für die B.T.C. war es nun wichtig sehr schnell die Voraussetzungen für die Besiedlung des großen Areals zu schaffen. Dazu gehörte auch ein gut ausgestattetes und baulich attraktiv gestaltetes Ortszentrum mit Bahnanschluss, Infrastruktur und Versorgungeinrichtungen. Deshalb schrieb die B.T.C. noch 1908 einen weiteren Wettbewerb für die Ortsmitte aus, den die Architekten Gustav Hart und Alfred Lesser gewannen.

 

Die Architekten Hart und Lesser

Gustav Hart (1864–1929) und Alfred Lesser (1871-1916, kein Verwandter des Gartenarchitekten Ludwig Lesser) hatten nach ihrem Studium zunächst beim bekannten Architekten Alfred Messel (u.a. Pergamonmuseum, Kaufhaus Wertheim am Leipziger Platz) gearbeitet. 1900 machten sie sich mit einem gemeinsamen Büro selbständig. Sie errichteten zahlreiche Villen, Waren- und Geschäftshäuser. Bei der Gestaltung ihrer Bauten kombinierten sie Elemente von Jugendstil, Rokoko, Barock, Renaissance und Reformarchitektur. Am bekanntestes ist der Bahnhof Mexikoplatz, der an den Frohnauer Bahnhof erinnert, aber deutlich stärker durch Jugendstilformen geprägt ist.

Obwohl das Büro um 1910 viel beschäftigt war und auch vom Kaiser sehr geschätzt wurde, sind die Architekten heute weitgehend vergessen. Was mit den Familien der beiden jüdisch stämmigen Architekten später geschah, ist noch nicht erforscht. Bislang ist nur bekannt, dass Else, die Witwe von Alfred Lesser, 1942 Opfer der Judenverfolgung der Nationalsozialisten wurde. Nach der Deportation ins Warschauer Ghetto verliert sich ihre Spur.

Kasinokomplex und Bahnhof

Die bis Mai 1910 errichtete Baugruppe von Hart und Lesser prägt Frohnau bis heute. Neben dem Kasinoturm gehören dazu folgende Bauwerke:

Der Kasinokomplex mit verschiedenen Gaststätten, Verwaltungs- und Wirtschaftsräumen sowie prachtvollen Versammlungssälen: Hier feierte man am 7. Mai 1910 die Eröffnung der Gartenstadt. Im Ersten Weltkrieg wurde ein Lazarett für verletzte Soldaten eingerichtet. Der Komplex brannte beim Einmarsch der Roten Armee im April 1945 aus und wurde 1950/51 von Ewald Grätz stark verändert als Büro- und Geschäftshaus wieder aufgebaut. Nur der Verbindungsbau zum Kasinoturm existiert bis heute weitgehend in seiner historischen Form. Der Gesamtkomplex wurde 2017 von den Architekten Bräunlin und Kolb saniert und umgebaut und befindet sich heute im Eigentum der Joh. Berenberg, Gossler & Co. KG.

Das Geschäftshaus nördlich des heutigen Springbrunnens beherbergte verschiedene Läden und zeitweise auch Räume für Gottesdiente und Schulunterricht. Es wurde 1945 zerstört und vereinfacht aufgebaut.

Der Bahnhof (teils finanziert von der B.T.C.) sowie die Bahnhofsbrücke entstanden in Verantwortung der Preußischen Staatsbahn ebenfalls nach den Plänen von Hart und Lesser.

In der Welfenallee schloss sich der Wirtschaftshof mit Pferdeställen, Tanzsaal und später auch mehreren Läden an. Er wurde auch „Jägerhof“ oder „Welfenhof“ genannt. Kurz nach dem Bau des Kasinos wurde er vom Architekten Paul Poser entworfen. Nach 1970 erfolgte der Abriss des Wirtschaftshofes für ein neues Wohn- und Geschäftshaus.

Der Kasinoturm

Der 35 Meter hohe Kasinoturm ist weitgehend in seiner Ursprungsgestalt von 1909/10 erhalten. Bis heute ist er zentrales Werbe- und Identifikationssymbol für Frohnau. Auch auf dem Wappen des Ortsteils ist er abgebildet. Die Fassade besteht aus dem damals innovativen Material Vorsatzbeton. Er wirkt auf den Betrachter wie natürlicher Muschelkalk. Die zeitweise vorgeschlagene Bezeichnung „Kaiserturm“ setze sich nicht durch. In den Anfangsjahren wurde teils auch noch die seit der Rechtschreibreform von 1901 eigentlich veraltete Schreibweise „Casinoturm“ verwendet.

Der Turm hat 141 Stufen. Bis zur Höhe von 20 Meter reicht der äußere Treppenturm. Zur Aussichtsplattform auf der Höhe von 26,5 Meter gelangt man anschließend über eine Wendeltreppe. Die Plattform ist von Balustraden umgrenzt und bietet einen Blick auf die Wald- und Siedlungslandschaft des Berliner Norden. Bei schönem Wetter ist das Berliner Stadtzentrum zu sehen.

Wasserbehälter

Neben seiner Funktion als Aussichtspunkt und Werbeikone war der Turm zunächst vor allem ein Wasserturm: Ein Behälter oberhalb des 5. Obergeschosses hatte ein Fassungsvermögen von bis zu 49 m³ Wasser für die Versorgung des Areals um den Bahnhof. Bis heute führt eine schmale Wendeltreppe durch den Bereich des ehemaligen Wasserbehälters hoch zur Aussichtsplattform.

 

Zeit zwischen 1919 und 1945

Nach 1933 nutzten die Nationalsozialisten den Turm für Propaganda: An der Aussichtsplattform wurden großformatige Hackenkreuze angebracht. Die Turmspitze wurde später für einen Beobachtungsposten der Flugabwehr abgetragen und die großen offenen Bögen auf der Plattform zugemauert.

Nach 1945

Das Dach wurde nach 1945 wieder hergestellt, allerdings nun mit Kupfereindeckung und nicht mehr mit Ziegeln. Die zugemauerten Öffnungen  im Aussichtgeschoss wurden nicht wieder in den Originalzustand zurückversetzt. Kurzzeitig schlug ein Unternehmer die Einrichtung eines „echten“ Kasinos mit Glückspiel vor, was sich aber bald zerschlug.

Erdgeschoss

Im Erdgeschoss war ursprünglich die „Stehbierkneipe“ angesiedelt, die insbesondere bei den Kutschern und Fahrern der Gäste und „Herrschaften“, die das Kasino besuchten, beliebt war. Nach Zerstörung des Kasinobaus wurden auch im Turm Restaurants mit wechselnder Küche angesiedelt. Teils existierten in den Geschossen darüber auch Bars und kurzlebige Partylocations.

Wohnungen

Zeitweise gab es im Turm zwei Appartements, die  manchmal auch als Hotelzimmer vermietet wurden. Seit dem Umbau von 2017 befindet sich eine Maisonettewohnung im 1. und 2. OG.

Turmuhren

Zu allen vier Seiten zeigen große Uhren die Zeit: Im Laufe der Jahrzehnte kam die Synchronisation der Uhren immer mal wieder durcheinander, was dazu führte, dass „in Frohnau die Uhren anders gehen“. Im 4. Stock befinden sich die historischen Uhrwerke.

Das Hirschgeweih

An der Fassade prangt die Skulptur eines Hirschkopfes, in dem ein echtes Geweih eines Zehnenders steckt. Angeblich stammt es von einem Hirsch, der im kaiserlichen Jagdrevier bei Oranienburg geschossen wurde.

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